Aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtete in gut zwei Stunden der Astrophysiker Dr. rer. Nat. Horst Müller in den gut besuchten Parkräumen der Amorbacher Villa Schulz am 7.11. die Hintergründe der globalen Erwärmung.
Dr. Müller hatte dabei kein Problem, zuzugeben, dass auch er kein Wundermittel zur Behebung der katastrophalen Folgen der globalen Erderwärmung bieten kann, doch sei es ganz sicher, dass das Problem uns alle angeht und dass alle Menschen an der Verhinderung des – wenn auch letztlich nicht aufzuhaltenden – Klimawandels dran bleiben müssen. „Jeder einzelne muss in seinem persönlichen Bereich die globale Erwärmung bekämpfen durch Verminderung des CO2-Fußabdrucks gegen Null!“
Sofie Klopsch vom Vorstand der Joachim & Susanne Schulz Stiftung hatte den aus Schloßau stammenden Referenten kurz vorgestellt, der seit Beendigung seines Studiums bei der Weltfirma Bosch in Stuttgart arbeitet und sich weniger beruflich als aus privatem Interesse in seiner Verantwortung als Vater von drei Kindern mit dem Thema „Gutes Wetter – schlechtes Klima?“ auseinandersetzt. Es blieb nicht aus, dass er dabei auch die Verantwortung der Politik zu diesem Thema beleuchtete, gemäß einem Plakat am Darmstädter Wissenschaftsschloss mit der Aussage „Wissenschaft braucht Demokratie, Demokratie braucht Wissenschaft“ und der Feststellung „Der Planet ist nicht in Gefahr – wir sind in Gefahr!“ aus dem Film „Jurassic Park“.
Natürlich können die Anstrengungen des kleinen Deutschlands mit durchaus positiven Auswirkungen HIER die Welt nicht retten, aber wir alle haben nach seiner Ansicht die Verantwortung mit bestem Beispiel voranzugehen und Länder wie China, USA, Indien mitzuziehen. Doch zunächst ging Dr. Müller auf die Entwicklung der Naturwissenschaft seit Kopernikus ein, deren Vorgehensweise sich doch sehr geändert habe. Demnach wird heute ein umfassenden Erklärungsschema auch durch einzelne Querdenker weiter entwickelt nachdem es vorsichtig beleuchtet wurde. Erstaunlich war auch, dass es bereits seit 200 Jahren Klimaforschung gibt und mit der Erkenntnis des natürlichen Treibhauseffekts begann. Seit 1958 gibt es die regelmäßigen Messungen der CO2-Konzentration in der Atmosphäre, und mit Gründung der IPCC im Jahr 1988, die zwar nicht selbst forscht, aber die wissenschaftlichen Berichte regelmäßig veröffentlicht im Zusammenwirken mit den politischen Größen der Welt wurde der wissenschaftliche Konsens der globalen Erderwärmung festgestellt. Inzwischen haben sich allen Leugnern dieser Katastrophe zum Trotz „Friday for Future“ Bewegungen und die „Letzte Generation“ stark gemacht.
Anhand des sog. „Lorenz-Modells“ machte der Referent deutlich „Klima kann man vorhersehen, Wetter nicht“. Bereits 1824 konnten die Erdoberflächenwärme und der „natürliche Treibhauseffekt“ durch bestimmte Gase in der Atmosphäre berechnet werden. Bis dahin hielten sich sogenannte Kalt- und Warmzeiten so ziemlich die Waage – wie Untersuchungen von Baumringen oder Eisbohrkernen der Antarktis zeigten, doch dann schaffte es der Mensch, durch die rasche industrielle Entwicklung – und damit durch Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Zementherstellung – 40 GT und mehr CO2 in die Atmosphäre zu blasen. Inzwischen kann die Forschung beweisen, dass die Erdtemperatur in gleichem Masse ansteigt wie der CO2-Wert. Die Folgen sind Verwüstung und Versteppung, Verknappung von Trinkwasser, Zunahme von Wetterextremen und Versäuerung der Ozeane. Das alles hat u.a. Einfluss auf die Flora und Fauna, das Ansteigen des Meeresspiegels oder die Versalzung der Mündungsgebiete, die Nahrungsmittelproduktion, Verlust von Lebensräumen, Migration von Krankheiten, Verschlechterung der Lebenssituation in einem Großteil der Erde.
Als besondere „Kipp-Punkte“ sah Dr. Müller das Abschmelzen des Grönländischen Eises sowie die Abschwächung der Nordatlantik-Zirkulation. Und der unglaubliche Hunger des Menschen nach Energie macht das Ganze nicht besser. Um diesen ständig steigenden Hunger stillen zu können, müssten 16.000 Atomkraftwerke, alternativ 8 Mio. Windkraftanlagen oder eine Photovoltaik-Anlage in der doppelten Größe der Bundesrepublik in der Sahara gebaut werden. Dr. Müller machte klar, es gibt keinen Supermann, der das Problem mit einer Wunderwaffe besiegt. „Wir alle sind gefragt, jeder einzelne in Kooperation mit den großen Politiken der Welt.“ Es gelte, den CO2-Ausstoß nicht nur zu mindern, sondern schnellstmöglich gegen Null zu fahren durch nationale und internationale Regelungen, durch individuelle Lebensanpassungen, Kompromisse, nachhaltiges Agieren jedes Einzelnen, Überlegungen beim Individualverkehr, Gerechtigkeit gegenüber weniger entwickelten Ländern und der Beseitigung des Generationenkonflikts. Auch vorsichtig getestetes Geo-Engineering könnte sich positiv auswirken.
Es gibt also tatsächlich viel zu tun und in der lebhaften Diskussion, die sich dem Vortrag anschloss, gab es außerdem Vorschläge in Richtung Kriegsbeendigungen, Zurückfahren der Erdbevölkerung, Kerosin-Einsparung indem der Stoff nicht über unseren Wäldern von Flugzeugen abgelassen wird oder Begrünung, wo immer es möglich ist. Das interessierte Publikum hatte gut zugehört: „Klimawandel ist kein qualitatives Problem, sondern ein quantitatives.“ L.M.